Landkreis Leipzig Journal

Neue Energie im Leipziger Neuseenland

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Hanno Balzer
Das HH2E-Werk Thierbach steht für die Energiewende im Südraum von Leipzig. Es wird einen traditionellen Energiestandort in Sachsen revolutionieren: Wo früher Braunkohle die Wirtschaft am Laufen hielt, entsteht jetzt ein führendes Projekt für grüne Energie. Darüber unterhielten wir uns mit Hanno Balzer.

Wie fiel der Fokus Ihres Unternehmens auf das ehemalige Kohlekraftwerk?
Im Südraum Leipzig kenne ich mich sehr gut aus. Schon in den 90er Jahren war ich hier oft für das ostdeutsche Energieunternehmen VEAG unterwegs. Ich kenne viele Kraftwerke und das Potenzial der traditionellen Energie-Infrastruktur. Der ehemalige Kraftwerksstandort Thierbach ist ideal, um hier auch in Zukunft Energiegeschichte zu schreiben.

Welche guten Standortfaktoren sprachen für die Region?
Im Mitteldeutschen Revier sind die Voraussetzungen zum Aufbau der grünen Wasserstoffwirtschaft ideal. Engagierte und erfahrene Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sorgen dafür, dass die Region Vorreiter für die Energie-Unabhängigkeit Deutschlands wird. Damit grüner Wasserstoff lokal produziert und nicht über teure Transportwege aus Übersee zu uns gebracht werden muss.

Die enge Verbundenheit der Menschen hier mit der Energie schätze ich sehr. Ich bin ja auch schon 25 Jahre mit der Energie verbunden. Insofern liegt es mir am Herzen, diese Tradition in die Zukunft zu begleiten. Unsere Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort ist mehr als positiv. Sie sind pragmatische Macher, ermutigend und sehr wertschätzend.

Die Gemeinden Borna und Kitzscher haben die Bebauungspläne für das HH2E-Werk Thierbach im Dezember 2023 genehmigt und damit der Energiewende im Südraum Leipzig den Weg geebnet. Die schnelle Genehmigung zeigt, wie aktiv die Energiemodellregion im Mitteldeutschen Revier gestaltet wird.

Die Entscheidung für Borna fiel natürlich auch aufgrund der guten Infrastrukturanbindung und des großen Potenzials an erneuerbaren Energien. In der Region wurden und werden große Solarparks errichtet. Sie liefern die erneuerbare Energie für die Produktion von grünem Wasserstoff.

Wir gehen davon aus, dass wir hier eine Anbindung an das Wasserstoffkernnetz erreichen werden. Auch das ist ein wichtiger Standortfaktor.

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Eröffnung des „Wasserstoff-Büro“ Ende Februar 2024 in der Bornaer Reichsstraße
Der „Grüne Wasserstoff“ soll in wenigen Jahren am Standort Thierbach produziert werden. Wann genau planen Sie den Produktionsbeginn?
Eines habe ich gelernt: Ein genaues Datum für den Abschluss sehr komplexer Projekte zu nennen, ist schwer möglich. Daher sage ich lieber: Wir peilen an, Ende 2026 den Bau des HH2E-Werkes zu vollenden.

Was genau passiert jetzt schon am Kraftwerk?
Für die Errichtung des HH2E-Werkes Thierbach benötigen wir noch eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz durch die Landesdirektion Sachsen. Das Genehmigungsverfahren läuft. Bis zu seinem Abschluss wird auf unserem Baufeld nur das Bauinformationsschild zu sehen sein. Aber dann geht es richtig los!

Wie viel Tonnen Wasserstoff sollen jährlich in Thierbach produziert werden?
Anfangs sollen es 6.000 Tonnen grüner Wasserstoff pro Jahr sein. Im nächsten Ausbauschritt bis 2030 soll die Menge auf 60.000 Tonnen grüner Wasserstoff gesteigert werden.

Können Sie bitte unseren Lesern das Verfahren der Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff erläutern?
Gern. Wasserstoff (H2) ist in Wasser (H2O) gebunden. Den Wasserstoff lösen wir aus dieser Verbindung. Dafür verwenden wir Strom aus erneuerbaren Energien. Und dieser Prozess heißt Elektrolyse.

Der Clou unseres HH2E-Werkes ist, dass wir diesen Prozess mit anderen Technologien verbinden. Wir nutzen grünen Strom für die Elektrolyse, wenn ganz viel davon verfügbar ist. Dann ist er preiswert. Und wir sorgen gleichzeitig dafür, dass Anlagen zur Produktion von regenerativem Strom nicht abgeregelt werden müssen. Das ist teuer und derzeit oft der Fall, weil es in Deutschland noch nicht genug Leitungen zum Abtransport von Strom aus Spitzenzeiten gibt.

Aber dafür gibt es ja uns. Wir können auch mit wenigen Stunden grünem Strom am Tag durchgängig Wasserstoff erzeugen. Denn wir werden auch Batterien vor Ort haben. Und wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, dann nutzen wir den Strom aus den Batterien.

Wir können aus unserer innovativen Anlage übrigens auch grüne Fernwärme für Heizungen in Häusern der nahe liegenden Kommunen bieten. Sie sehen: Ein HH2E-Werk, ganz viele Möglichkeiten.

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Hanno Balzer im Gespräch mit Landrat Henry Graichen
Wieso wird es keinen CO2 Ausstoß geben?
Deutschlands Zukunft als Industrienation hängt davon ab, dass wir alle Industriezweige klimafreundlich aufstellen. Wasserstoff ist ein Hoffnungsträger für die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität. Grundlegend und herausfordernd dafür ist die Verstetigung der Nutzung wetterabhängiger erneuerbarer Energien.

Was könnten wir mit all dem CO2-freien Strom machen, der nicht erzeugt wird, weil das Stromnetz ihn nicht abnehmen kann? Allein in der ersten Jahreshälfte 2022 musste so viel Strom aus erneuerbarer Energie-Erzeugung abgeregelt werden, wie 1,5 Millionen Haushalte in Deutschland pro Jahr verbrauchen.

Wir wollen genau diese Erzeugungsspitzen erneuerbarer Energie nutzen. Aus dem CO2-freien Strom werden wir grünen Wasserstoff erzeugen, um Industrie und Mobilität zu dekarbonisieren. Windräder müssen nicht mehr ausgeschaltet werden, Stromnetze werden entlastet.

Für unsere HH2E-Werke haben wir eine neue Technologie-Kombination entwickelt. Sie können eine variable Einspeisung von erneuerbarem Strom in einen konstanten Fluss von grünem Wasserstoff, Wärme und Strom umwandeln. Der grüne Wasserstoff zu fairen Preisen wird rund um die Uhr verfügbar sein. Seine Produktion entlastet die Stromnetze. Und die Wärme aus dem Produktionsprozess kann Haushalte und Gewerbe in umgebenden Gemeinden umweltfreundlich heizen.

Welche potentielle Kundschaft werden Sie mit „grünen Wasserstoff“ versorgen?
Grüner Wasserstoff kann Öl, Erdgas und Kohle überall dort ersetzen, wo Elektrizität nicht direkt genutzt werden kann - vor allem in der Metall- und Chemie-Industrie. Auch der Schwerlast- und Flugverkehr soll zum Teil von Diesel und Kerosin auf Wasserstoff umgestellt werden.

Der hier produzierte grüne Wasserstoff kann helfen, den Flugverkehr umweltfreundlicher zu gestalten. DHL, Airbus, Sasol und HH2E haben im September 2023 eine Kooperation zur nationalen Produktion von erneuerbaren Flugzeugkraftstoffen (eSAF) auf Basis von grünem Wasserstoff am Flughafen Leipzig vereinbart. Der grüne Wasserstoff aus der Region soll von Sasol zum nachhaltigen Flugzeugtreibstoff veredelt werden. Parallel dazu forciert Airbus die Entwicklung neuer Flugzeugtriebwerke. Die Flotten von DHL und Condor sollen dann als erste von Leipzig aus emissionsfrei abheben.

Suchen Sie für den Standort in Thierbach neue Mitarbeiter? Welche berufliche Qualifikation sollten diese haben?
Wenn die Produktion von grünem Wasserstoff beginnt, könnten zunächst 40 Arbeitsplätze entstehen. Langfristig sollen dort rund 100 Menschen in Lohn und Brot kommen. Gefragt sind verschiedene Berufsbilder vom Elektroniker bis zum Standortleiter.

Aber wir gehen davon aus, dass schon in der Bauphase unseres Werkes indirekt Arbeitsplätze entstehen. Wir brauchen ja ganz viele Menschen aus der Region, die mit uns dieses Werk aufbauen.

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